Saturday, July 09, 2005

Churchill - das personifizierte 20. Jahrhundert

Ein langer Aufsatz des revisionistischen Historikers Ralph Raico beleuchtet die verschiedenen Rollen, die Winston Churchill in seinem Leben spielte.

In vielerlei Hinsicht sei Churchill der "Mann des 20. Jahrhunderts", denn wie kein anderer habe er den "Kriegs- und Wohlfahrtstaat" ("warfare-welfare state) gefördert, ein opportunistischer Verherrlicher und Ausdehner jeglicher Staatstätigkeit.

Schon als Junge sei er von Kriegen fasziniert gewesen, und nach seinem Abschluß an der Militärakademie von Sandhurst konnte er nicht schnell genug in den Krieg ziehen - zunächst als Kriegsjournalist.

Im Vorfeld des ersten Weltkrieges war er, damals erster Lord der Admiralität, einer der stärksten Befürworter eines Kriegseintritts Großbritanniens gegen Deutschland, während viele andere englische Politiker noch eine neutrale Einstellung befürworteten. Er war es auch, der die - auch nach damaligen Maßstäben völkerrechtswidrige - Seeblockade plante und durchführte, die für den Tod durch Mangelernährung von 750.000 Zivilisten gewesen sei und erheblich zur Radikalisierung einer Jugend beigetragen habe, die sich später dem Nationalsozialismus zuwandte.

Auch war er ein großer Bewudnerer des Bismarck'schen Wohlfahrtsstaates und förderte dessen Kopie in seiner Heimat. Sehnlichst wünschte er sich z.B. die Eisenbahnlinien und Kanäle des Landes in die Hand des Staates.

Raico verweist auf einen der schwerwiegendsten Charakterfehler Churchills: seine übermäßige Beschäftigung mit relativ unwichtigen Details, die ihm den Blick auf das Gesamtbild versperrten. Diesen Fehler konnte er jedoch mit glänzender Rhetorik übertünchen. Das ging jedoch so weit, daß er an seine eigene Rhetorik glaubte. So kam es, daß er in seiner Besessenheit mit Deutschland, das er auch in der Weimarer Zeit als Feind betrachtete, den Zerfall des Empire und die Gefahr übersah, die von der Sowjetunion ausging.

Raico zeigt auch auf, daß Churchill durchaus als Kriegsverbrecher eingestuft werden kann, der in den letzten Kriegstagen ohne Sinn und Verstand mehr an europäischer Geschichte und Kultur ausradierte, als es Attila und Ghengis Khan je vermochten. Darüber hinaus lieferte er halb Europa an den Kommunismus aus und auch russische Kriegsgefangene der Deutschen an die Sowjetunion. Er protegierte Tito und hatte nichts gegen die Vertreibung der Deutschen aus ihren östlichen Heimatländern und dem Sudetenland einzuwenden.

Erst als der Krieg in Europa vorbei war, erkannte Churchill die Bedrohung aus Moskau und fing an, von einem "Eisernen Vorhang" zu reden und von einer angeblichen Notwendigkeit, die Sowjetunion mit ein paar Atombomben in die Schranken zu verweisen.

Insgesamt entsteht der Eindruck eines Mannes, der die Kriege und Konflikte, die er (erfolgreich) führte, selber suchte und bei Bedarf auch schürte. Raico verneigt sich dennoch vor der Rolle, die Churchill 1940 im "Duell mit Hitler" spielte, setzt diese Tat jedoch in einem weiten Kontext, der den Blick auf eine Figur ermöglicht, die ein "Mensch des Blutes [war], ein Politiker ohne Prinzip, dessen Apotheose dazu dient, jedes Maß an Ehrlichkeit und Moral in Politik und Geschichte zu verderben."

Thursday, July 07, 2005

Kapitalismus läßt bürgerliche Werte zur Geltung kommen

Michael Kastner behauptet in der Freiheitsfabrik, daß "[k]eine Macht der Welt, auch nicht der Sozialismus, ... die sog. traditionellen bürgerlichen Werte mehr zerstört [hat] als der freie Markt."

Die Beispiele, die er aufführt, überzeugen aber nicht. Das "bürgerliche Ideal", das er – etwas karikierend – beschreibt, konnte überhaupt erst aufgrund der durch die im 19. Jahrhundert freigesetzten Kräfte des Kapitalismus annähernd realisiert werden. Der Wohlstand ermöglichte es, daß ein einziges Einkommen reichte, um eine Familie zu ernähren und nicht wie zuvor zwei, oder noch mehr (also Ehefrau plus Kinder). Dies setzte Zeit und Ressourcen frei für eine weite Verbreitung von Bildung, Kultur, kultivierter Manieren, Großzügigkeit und der Beschäftigung mit den Sinnfragen des Lebens.

Der Rückzug des Staates erlaubte die Entdeckung einer individuellen Freiheit, die mit individueller Verantwortung gepaart war. Erst mit der Wiederenddeckung der "paternalistischen Fürsorge" (ein bürgerlicher Wert laut Kastner) durch den Staat, angefangen mit der Bismarck'schen Rentenverssicherung und dem staatlichen Schulzwang, setzte ein Prozeß der Entkoppelung von Freiheit und Verantwortung ein, der noch nicht beendet ist. Die "68er" stellen nur einen, wenn auch sehr bekannten und auffälligen, "Schub" in dieser Entwicklung dar.

Ein anderer, sehr wichtiger Schub war die Entkoppelung des Geldes vom Realwert Gold zu Beginn des ersten Weltkrieges. Die ursächlich daraufhin einsetzende Inflation zerstörte den Wert der individuellen Zukunftsgerichtetheit, also des Sparens (ein anderes Wort für Konsumverzicht) und der Investition. Zerstört wurden somit auch der Sinn für die Notwendigkeit, auf Freizeit und Geld zugunsten der Betreuung und Erziehung eigener Kinder zu verzichten. Oder nicht der Versuchung nachzugehen, die Ehe (öffentlich) zu brechen (d.h. sich scheiden zu lassen), wenn das Privatleben mal nicht so rosig ist.

Der Vorgang des Kapitalismus bedarf keiner Führerschaft, schreibt Kastner. Und: Die Zukunft ist unsicher. Das ist den Akteuren nicht unbekannt. Und hier setzt eine Dynamik ein, die Kastner m.E. übersieht. Denn gerade wegen der Unsicherheiten der "kapitalistischen" Freiheit schaffen sich die Menschen auch unter freien Marktbedingungen Institutionen, um sich abzusichern. Der Weg, der seit Bismarck (wieder) beschritten wird, heißt Staat, also Absicherung unter Aufgabe der individuellen Verantwortung – und damit langfristig die Abtötung des Marktes. Auch das ist eine Form der Freiheit, nämlich die Freiheit des Sklaven. Ein anderer Weg, der auch in Deutschland für kurze Zeit beschritten wurde, führte unter relativ staatsfreien Umständen zu Privatschulen, Privatversicherungen, und eben auch einer starken (d.h. eng vernetzten) bürgerlichen Familie (offenbar von vielen als "bessere" Versicherung angesehen, als sich allein auf Versicherungsunternehmen zu verlassen).

Daß dieses Familienmodell durch eine globalisierte Wirtschaft des freien Handels zerstört werde, wie Kastner behauptet, vermag ich nicht zu sehen. Der Handel war vor 1914 mindestens ebenso frei wie heute. Daß sie durch Krieg, Inflation und durch Gesetze, die individeulle Verantwortung künstlich verteuern, zerstört werden, also durch Staatstätigkeiten, leuchtet mir dagegen unmittelbar ein.

Sunday, July 03, 2005

Sonntagswort, 03.07.2005

Denn die Wurzel alles Bösen ist die Geldliebe [nicht: das Geld!], nach der einige getrachtet haben und von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben.

1. Timotheus, 6: 10