Wednesday, December 27, 2006

Das Europäische Wunder - eine Folge von Christentum und rule of law

Der Historiker Ralph Raico untersucht in einem längeren Artikel auf mises.org die Frage, warum die Industrielle Revolution ausgerechnet in Europa, und in der Erweiterung Europas, insbesondere in den Vereinigten Staaten, stattfand und die Menschheit dort anfing, sich aus dem Ausgeliefertsein der Natur gegenüber, aus der "malthusianischen Falle" von immer wieder auftretenden verheerenden Hungersnöten und Seuchen zu befreien.

Zunächst verwirft Raico die marxistische Theorie des mehr oder weniger spontanen wissenschaftlichen Fortschritts, kombiniert mit einer "primitiven Akkumulation" von Kapital. Er zitiert den Historiker J.L. Anderson:

"Der wissenschaftliche und technische Stillstand, der den beachtenswerten Errungenschaften der Song-Dynastie folgte, oder das Aufblühen im frühen Islam zeigen, daß wissenschaftliche Forschung und Technologie nicht notwendigerweise in sich die Dynamik besitzen, die in der Erfahrung Europas angedeutet wird."

Raico zeigt dagegen auf, daß inzwischen eine ganze Reihe moderner Historiker einen ganz anderen Faktor für die Industrielle Revolution verantwortlich machen: eine jahrhundertelange Phase der relativen Abwesenheit politischen Zwangs.

Demnach ist die Industrielle Revolution nicht spontan aus dem Nichts entstanden, sondern war eine Folge einer Institution, die Sparsamkeit und Fleiß (englisch: "industry") begünstigte: die Herrschaft des Rechts (rule of law), die dem Individualismus und dem Schutz des Privateigentums förderlich war.

Für die Entstehung des Rule of Law war die Geographie Europas war sicherlich wichtig. Eine große Vielfalt von natürlichen Grenzen machte ein langfristiges Bestehen eines Flickenteppichs kleiner und kleinster Königreiche, Fürstentümer etc. möglich. Somit gab es über sehr lange Zeit in Europa einen heftigen Wettbewerb um die Besten und Leistungsfähigsten, was zu einer niedrigen und regelmäßigen Besteuerung und einer gerechten Gerichtsbarkeit führte sowie zu einer (repräsentativen) Mitbestimmung der Besteuerten über die Verwendung der Mittel. Das wiederum führte zu einem starken und den Regierungen gegenüber selbstbewußten Bürgertum.

Geographie als freiheitsförderlicher Faktor ist jedoch nicht unüberwindbar, wie das römische Kaiserreich und jetzt die Europäische Union beweisen. Raico nennt aber noch einen weiteren, von der Geographie unabhängigen Faktor, nämlich die generelle Einstellung der Menschen – insbesondere im Hinblick auf Neid. Helmut Schoeck habe in seinem Werk über den Neid festgestellt, daß die westliche Kultur den Neid irgendwie in beachtenswertem Maße gehemmt hat – und er verbindet diese Tatsache mit dem christlichen Glauben:

"It must have been one of Christianity's most important, if unintentional, achievements in preparing men for, and rendering them capable of, innovative actions when it provided man for the first time with supernatural beings who, he knew, could neither envy nor ridicule him."

Christentum allein war aber nicht ausreichend, um das beobachtete Wohlstandswachstum auszulösen. Die Geschichte Spaniens und Rußlands sind dafür die deutlichsten Gegenbeispiele. In Spanien sei jedoch das Eigentum weniger geschützt gewesen als in anderen westeuropäischen Ländern, und in Rußland, wo es lange Zeit überhaupt kein rule of law gab, war die Kirche nicht, wie im Westen, unabhängig von den weltlichen Herrschern.

"Technologie und Wissenschaft", so schließt Raico, entstand aus einer zusammenhängenden Reihe politischer, rechtlicher, philosophischer, religiöser und moralischer Elemente in dem, was der orthodoxe Marxismus traditionell als den "Überbau" der Gesellschaft verächtlich machte.

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