Die Etymologie eines Wortes, also seine Herkunft und seine "Verwandtschaft" mit anderen Worten, ist eine hochinteressante Angelegenheit. Immer wieder stoße ich auf Zusammenhänge, die ich bislang so nicht bedacht habe. Verstärkt wird dieser Effekt, wenn man mehr als nur eine Sprache kennt. Denn ähnliche Worte in verwandten Sprachen entlarven oft unterschiedliche Bedeutungsfacetten, die einem nicht so leicht bewußt werden, wenn man das entsprechende Wort in der anderen Sprache nicht kennt. Z.B. ist das Wort "Knecht" mit dem englischen Wort "knight" (Ritter) verwandt. Daraus lernen wir, daß angeblich hochstehende Personen immer noch jemandes "Knecht" sind. Andererseits können auch "Knechte" Funktionen erfüllen, die manchem wie eine Rettung durch einen edlen Ritter erscheinen dürften (man denke da nur an einen Klempner bei einem Rohrbruch).
Konkreter Anlaß ist für mich die Bedeutung und Etymologie des englischen Wortes
"propriety". Es ist mit dem englischen Wort "property", also Eigentum, verwandt. Obsolete Bedeutungen des Wortes sind "wahre Natur" und "Eigentümlichkeit". Aber die Verbindung dieser verwandten oder alten Bedeutungen mit der heutigen Bedeutung hat mich aufhorchen lassen: "Angemessenheit"; "Konformität mit dem, was in Verhalten und Sprache gesellschaftlich akzeptabel ist"; "Furcht vor Verletzung konventioneller Verhaltensregeln, insbesondere zwischen den Geschlechtern"; plural: "die Bräuche und Umgangsformen der höflichen, kultivierten Gesellschaft".
Mir sagt das folgendes:
Wer Eigentum (jedenfalls zivil erworbenes) hatte, von dem konnte man erwarten, daß er sich "angemessen", "gesellschaftlich konform", "gesellschaftlich akzeptabel" verhielt. Und wer sich umgekehrt so verhielt, von dem konnte man erwarten, daß er entweder beträchtliches Eigentum hatte oder es in Zukunft erwerben würde.
Daß dies heute kaum noch erwartet werden kann, liegt zum einen daran, daß "Eigentum" heutzutage kaum noch "zivil" erworben wird, sondern immer auch mit einem mehr oder weniger großen Anteil staatlichen Zwangs. Wer heutzutage Eigentümer ist, ist oft zu einem nicht unerheblichen Teil Diener oder sonstiger Zuwendungsempfänger des Staates. Das wiederum heißt, das "konformes" Verhalten heutzutage bedeutet, mit dem Staat konform zu sein, nicht mit der Gesellschaft (wie sie unter freien Bedingungen wäre) - und das heißt, sich dem Verhaltenskodex des größten Eigentumräubers und -zerstörers zu unterwerfen. Manche tun das ganz bewußt, und haben in diesem Leben auch Erfolg damit - Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat es eben
vorgemacht.
Andere wiederum lassen sich mehr oder weniger unbewußt von den (Un-)Werten und der (Un-)Moral des Staates beeinflussen - und werden ganz freiwillig zu unanständigen, unakzeptablen Menschen, bis hin zu Eigentumszerstörern - auch an sich selbst, z.B. Drogensüchtige.