Nicht nur in Deutschland, auch in Großbritannien wird derzeit über Ein- und Auswanderung debattiert. Anläßlich einer Umfrage, deren Ergebnis war, daß 20 % der Briten daran denken, auszuwandern, hat der Kommentator des linksliberalen Guardian einige - mehr oder weniger -
vernünftige Worte geschrieben.
Auswanderungsgründe sind Steuern, das Wetter, Arbeitsangebote, Verzweifelung über hohe Grundstückspreise und das Schulsystem sowie ein schwindendes Gefühl nationaler Identität. Aber auch die Globalisierung, also Internet, Telekommunikation und Billigflüge, trägt zur höheren Auswanderungsquote bei.
Es scheint, so der Kommentator, daß zur Rechtfertigung einer Auswanderung (er meint wohl die Rechtfertigung des Auswanderers sich selbst und den ihm Nahestehenden gegenüber), nicht nur negative Aspekte des bisherigen Heimatlandes, sondern auch positive Aspekte des Ziellandes notwendig sind. Er spricht aus Erfahrung (er lebte aus Steuergründen einige Jahre lang in Irland) und sagt, man muß sich "mit Herz und Seele für ein Land entscheiden", wenn man sich in diesem Land behaglich fühlen will, oder es verlassen.
Man solle sich also als Auswanderer fragen, ob man bereit ist, sich den Werten und der Politik des Ziellandes zu unterwerfen. Zwar gibt es Ausnahmen, bei denen keine kulturelle oder soziale Verpflichtung notwendig sind, z.B. Hong Kong oder Monaco. Diese Steuerparadiese sind aber folglich Orte mit einer "Seelenlosigkeit, die nur obsessive Materialisten ertragen können."
(Ich kenne diese Orte nicht aus eigener Erfahrung, kann mir also kein Urteil darüber erlauben, ob die Einschätzung des Kommentators stimmt. Ich vermute aber, daß die beschriebene "Seelenlosigkeit" daher rührt, daß es so wenige Steuerparadiese noch gibt und folglich dort eine unnatürlich hohe Konzentration von "obsessiven Materialisten" entsteht.)
In früheren Kolonialtagen haben auswandernde Briten ihre Kultur einfach mitgenommen. Da dies nicht mehr möglich sei, müssen Auswanderer lernen, sich der Kultur des Ziellandes anzupassen.
Letztere Aussage - gerade in einem linksliberalen Blatt - ist interessant vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte in Großbritannien über den "Multikulturalismus",
der gerade von der Linken zu Grabe getragen wird.